Oeventroper Flüchtlingshilfe gedachte der Befreiung Deutschlands von der NAZI-Herrschaft vor 80 Jahren

Den 80. Jahrestag der Befreiung Deutschlands von der Naziherrschaft und des Endes des 2. Weltkriegs nahm die Flüchtlingshilfe Oeventrop zum Anlass für Frieden, Freiheit und Demokratie einzutreten.

Sie hatte die Oeventroper Bevölkerung gebeten, zur Teilnahme auf dem Friedhof und am Mahnmal für die ermordeten Juden teilzunehmen, leider fühlten sich nur wenige Oeventroper hierzu angesprochen!

Der Bezirksausschussvorsitzende Gerd Stodollick begrüßte die erschienen Mitbürgerinnen und Mitbürger und erinnerte in seiner Ansprache an die denkwürdige Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker, der vor 40 Jahren u.a. gesagt hatte, „so bedeuteten 40 Jahre stets einen großen Einschnitt. Sie wirken sich aus im Bewusstsein der Menschen, sei es als Ende einer dunklen Zeit mit der Zuversicht aus eine neue und gute Zukunft, sei es als Gefahr des Vergessens und als Warnung vor den Folgen. Über beides lohnt es sich nachzudenken. Bei uns ist eine neue Generation in die politische Verantwortung herangewachsen. Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.

Wir Älteren schulden der Jugend nicht die Erfüllung von Träumen, sondern Aufrichtigkeit. Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten. Wir wollen ihnen helfen, sich auf die geschichtliche Wahrheit nüchtern und ohne Einseitigkeit einzulassen, ohne Flucht in utopische Heilslehren, aber auch ohne moralische Überheblichkeit.

Wir lernen aus unserer Geschichte, wozu der Mensch fähig ist.Deshalb dürfen wir uns nicht einbilden, wir seien nun als Menschen anders und besser geworden….

Die Bitte an die jungen Menschen lautet:

Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen anderen Menschen,
gegen Russen und Amerikaner,

gegen Juden und Türken
gegen Alternative und Konservative,
gegen Schwarz und Weiß.
Lernen Sie mit einander zu leben, nicht gegeneinander…..
Ehren wir die Freiheit.
Arbeiten wir für den Frieden.
Halten wir uns an das Recht.
Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit,.
Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge.“

Gemeinsam mit Monika Krans, der Vorsitzenden der Flüchtlingshilfe legte er am Hochkreuz eine Blumenschale zu Ehren der Verstorbenen, die nach dem Verlassen ihrer Heimat auf dem Oeventroper Friedhof ihre letzte Ruhestätte fanden.

Anschließend wandte sich Monika Kraas an die Teilnehmer.

Wir von der Flüchtlingshilfe Oeventrop begrüßen Sie und euch sehr herzlich zu dieser Gedenkveranstaltung für Frieden, Freiheit und Demokratie! 80 Jahre ist der Krieg vorbei und die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. An dieser Stelle befinden sich die Gräber von 211 Verstorbenen, die vor 80 Jahren ihre Heimat verlassen haben und hier beerdigt wurden. Sie kamen aus Polen, Kroatien, Jugoslawien, Lettland, Rumänien, Litauen, Estland und aus Deutschland.

Für alle diese Menschen legen wir Blumen nieder und gedenken ihrer in einer Schweigeminute. Katrin Ten Haaf wird uns „Erinnerungen an das letzte Kriegsfrühjahr hier in Oeventrop“ vortragen. Ihre Familie ist von den Bombenangriffen unmittelbar betroffen gewesen. 1945 kamen auch viele Flüchtlinge nach Oeventrop. Ihnen wurden Zimmer bei Oeventroper Familien zugeteilt.

Diese Menschen kamen aus Oberschlesien/Schlesien, dem Sudetenland, dem früheren Jugoslawien und aus Tschechien.

Nachfolgend berichtete Katrin Ten Haaf, geb Brüggemann, wie Ihre Angehörigen damals den Bombenangriff in Oeventrop erlebt haben: 

Dieser 8. Mai fühlt sich anders an, er fühlt sich nicht gut an. 80 Jahre nach Kriegsende sterben nun auch die letzten Zeitzeugen. Daher müssen wir hier die Erinnerungen wachhalten.

Ich erinnere mich, wenn mir Großvater Karl traurig die Bombardierung des Hauses Brüggemann mit den vielen Toten schilderte, so etwas vergisst man niemals.

Die ersten Bomben auf Oeventroper Gebiet fielen am 28. Januar 1945, einem klaren, kalten Wintertag, um die Mittagszeit. Eine Bombe traf das Grundstück von Hachmann am Echterberg, zwei fielen auf Berens Köppchen, ohne Schaden anzurichten.

Am 08. Februar 1945 nahmen Flieger den Bahndamm und einen in der Nähe der „Strummecke“ stehenden Güterzug mit Bordwaffen unter Beschuss. ZweiBomben fielen in Gleisnähe auf den Acker von Hachmann und vier auf das tote Gelände der Neyl-Insel.

Es war am 9. Februar 1945 als ein Einzelflieger sechs Sprengbomben (darunter vier Blindgänger) über Dinschede ablud. Das Wohnhaus des RektorBrüggemann in der Dinscheder Straße und dass Bornemannsche Haus wurden total zerstört, fünf andere Häuser schwer und 35 leicht beschädigt.

Im Hause Brüggemann gab es vier Tote, Brigitte Brüggemann, ElisabethSchlüter, Otto Schlüter und die Schülerin Elisabeth Schürmann.Im Hause Bornemann waren 10 Tote zu beklagen, Frau Bornemann und drei ihrer Kinder, das Ehepaar Hans und Anne Birnstein, die 11 Monate alte Franziska Nordhoff, Frau Malkowski, Frau Hautmanns und Schülerin Maria Peters.

Unter den Trümmern fand man am nächsten Tag im Straßengraben den zunächst vermissten Kaspar Bauerdick, der auf dem Weg zur Arbeitsstelle von diesem Angriff überrascht wurde.

Zwölf der Todesopfer wurden auf dem Oeventroper Friedhof beigesetzt, drei nach Grevenstein, ihrer Heimat, überführt.Ein amerikanischer Offizier, der Rektor Karl Brüggemann in Dinschede vor den Trümmern seines Hauses antraf, meinte zu ihm: „Bomben nix gut!

„Ein großer Teil der Oeventroper zog schon morgens, sobald der Drahtfunk erste Feindflüge meldete, mit Kind und Kegel in die Eiskeller des Hasenackers in Dinschede, die als sicher galten.

Nun heulten fast ununterbrochen die Sirenen und ließen die Menschen nicht mehr zur Ruhe kommen. Schulunterricht konnte nicht mehr gehalten werden.An den Ortseingängen, so in Wildshausen, auf der Scherse und vor der Oeventroper Brücke, waren Panzersperren errichtet worden. Die Männer waren mit Panzerfäusten und Gewehren bewaffnet. An den Brücken wurden Sprengladungen angebracht.

Am 09. April 1945 um 15.00 Uhr hörte man die Sprengung der Wildshausener Brücke. Soldaten, die die Sprengung durchgeführt hatten, wateten durch die Ruhr und ergaben sich den Amerikanern, die bereits auf Cosacks Hof waren.

Gegen 16.30 Uhr sah man feindliche Panzer und andere Truppen über denPlackweg ziehen.Um 18.00 Uhr wurden Amerikaner im Siepen gesehen.

Am 10. April wurde die Dinscheder Brücke gesprengt. Die Einwohner von Oeventrop wurden wegen bevorstehender Kampfhandlungen aufgefordert, in den Wald zu gehen. Josef Vollmer, der nur zögernd folgte, wurde von einer Kugel getroffen und starb einige Tage später.

Am 11. April 1945 um 09.45 Uhr wurde der letzte Bogen der OeventroperBrücke gesprengt. Oeventrop wurde noch nach der Besetzung mit Granatwerfern beschossen, weil die Amerikaner eine Rückeroberung befürchteten. Nun lag Oeventrop unmittelbar hinter der Front, die aber schnell weiter westlich verlegt wurde.

Leider fanden am 20. April 1945 noch zwei junge Oeventroper, Horst Erwin Flinkerbusch (15) und Lothar Scheunert (14) den Tod, als sie „Unterm Walde“ Sprengkörper fanden, die explodierten. Heimat unter Bomben von Fritz Schumacher(1969)

Nach dem Beitrag von Frau Ten Haaf begaben sich die Teilnehmer zur Juden-Gedenkstätte vor den Stadtbüro. Auf dem Weg dorthin verkündete das festliche Glockengeläut der Pfarrkirche, das in Rom eine neuer Papst gewählt worden war. Das er „Leo XIV“ heißen wird, wusste man um 18.15 Uhr noch nicht.

Nach Beendigung des Geläuts um 18.30 Uhr legte Gerd Stodollick an der Gedenkstätte eine Blumenschale nieder und übergab das Wort an Ludwig Hoppe, der an die vertriebenen und ermordeten Juden erinnerte: 

Gedanken zum 8. Mai 2025

Ich möchte Sie hier am Mahnmal mit den Worten von Margot Friedländer begrüßen. Mit den Worten „Liebe Mitmenschen!“

Margot Friedländer ist jene alte Dame, die den Holocaust überlebte und nicht müde wird, über diese Hölle auf Erden zu berichten. Margot Friedländer sprach diese Worte auch vor dem deutschen Bundestag. Worte, die ihrer Meinung nach, jegliche Ausgrenzung, jegliche Unterscheidung in „diese und jene“, in Herrenmenschen und Untermenschen, ausschließen, ja, verbieten. Denn wir sind alle, bei aller Verschiedenheit, Menschen, Mitmenschen.

Liebe Mitmenschen!
Der heutige Tag, an dem sich das Kriegsende zum 80. Mal jährt, ist ein Gedenktag.
Ein Tag gegen das Vergessen, ein Tag gegen den Verlust der Erinnerung. Ein Tag der Erinnerungskultur. Dazu dienen – neben Worten – auch symbolische Zeichen im öffentlichen Raum und authentische Orte als Gedenkstätten. So ist diese Stele mit den Namen der ermordeten oder geflüchteten Juden in der Mitte unseres Dorfes ein solcher Ort. Die Eisenbahnschwellen sind ein Symbol für die Reise, die die jüdischen Mitbürger antreten mussten: die einen in den Tod, die anderen in die Flucht und Rettung in ferne Länder. Die Holzschwellen ragen aus einem Pflaster aus Basaltsteinen, wie es einst die Kirchstraße hatte. Jenes Pflaster, über das die jüdischen Menschen gingen, auf dem ihre Kinder spielten, über das in der Reichs Pogromnacht im November 1938 aufgehetzte Bürger marschierten. Pflaster, auf das dieser Mob in blinder Wut Hausrat und Möbel aus den jüdischen Häusern warf und zerstörte. Wahrscheinlich im Januar des nächsten Jahres kommen gegen das Vergessen 12 Stolpersteine hinzu. Jeder Stein trägt den Namen eines ermordeten jüdischen Mitbürgers aus unserem Dorf. Die Steine werden verlegt im Bürgersteig vor den Häusern, in denen die ermordeten jüdischen Mitbürger wohnten. Gleichzeitig sind diese Symbole und authentischen Gedenkorte auch Lernorte. Lernorte, um zu einem „Nie wieder!“ zu kommen. Und dieses „Nie wieder!“ ist jetzt. Der 8. Mai ist auch ein Tag der Aufklärung. Aufklärung durch Fakten, über das, was geschehen ist während der NS-Zeit. Die Fakten müssen raus aus den Geschichtsbüchern und rein ins Bewusstsein der Menschen. Vor allem ins Bewusstsein der jungen Generation. Für die junge Generation ist jene Zeit oft nur noch eine ferne Erzählung. Wissen, was damals geschah, ist deshalb erste Bürgerpflicht. Leider gibt es zunehmend wieder Menschen, die die Gräueltaten jener Zeit leugnen oder relativieren. Sie sitzen sogar in unseren Parlamenten. So nennen sie solche Gedenkstätten wie diese hier in der Mitte unseres Dorfes „Mahnmale der Schande“. Aber wir können in einer weltoffenen und demokratischen Gesellschaft nur weiterexistieren und für diese eintreten, wenn wir die Abgründe und Verwerfungen jener Vergangenheit kennen und begreifen.

Der 8. Mai ist auch ein Tag der Empathie.
Empathie für die vielen Opfer während dieser Zeit:‘
– für die Opfer durch Diskriminierung und Entrechtung,
– für die 6 Millionen ermordeten Juden,
– für die ermordeten Sinti und Roma,
– für die, die ermordet wurden, weil sie zu „unwertem Leben“ erklärt wurden.
Empathie für die versklavten Bewohnerinnen und Bewohner der eroberten Gebiete in Osteuropa.
Aber auch Empathie für die vielen Soldaten, die, verführt und getrieben, für eine menschenverachtende Ideologie ihr Leben ließen oder als Krüppel an Leib und Seele nach Hause kamen.
Empathie auch für die Zivilbevölkerung: für Frauen, Kinder, alte Menschen, die an der Heimatfront Flucht und Not und Vergewaltigung und Tod erlitten.
Die Zahl aller Opfer ist ungeheuerlich, die Statistiken zählen 70. 000 000 oder mehr. Hinzu kommen Flüchtlinge und Vertriebene. Kaum zählbar, geschätzte Größen.
Solche statischen Zahlengrößen sind beeindruckend, aber seelenlos.
Aber jede Zahl steht für einen einzelnen Menschen: für eine Mutter, einen Vater, ein Kind, den Bruder, die Schwester, für Oma, Opa, die Nachbarfamilie, den Freund, die Freundin…
Jeder einzelne mit einer, mit seiner Geschichte.
Um dieser Statistik ein Gesicht zu geben, stellvertretend für die vielen Opfer, verlesen wir jetzt Auszüge aus einem langen Brief, den Henry Rosenthal 1989 aus den USA nach Oeventrop an Franz-Josef Molitor geschrieben hat.
Henry Rosenthal, 1926 geboren hieß damals noch Heinz und wohnte mit den Eltern bei der Großmutter Emma Ransenberg in der Kirchstraße, Haus Nr. 53. Es ist das Haus neben dem Sauerländer Hof. Das Haus beherbergte ab 2015 geflüchtete Jugendliche aus Syrien.
Das Haus wurde vom Großvater Louis Rosenthal etwa 1885 gebaut. Er verkaufte Lebensmittel, Haushaltswaren, später Textilien. Heinz ging bis zur Kristallnacht 1938 in die Volksschule in Oeventrop. Dann schickten ihn seine Eltern aus Sicherheitsgründen nach Köln.
In dem Brief schreibt er über seine Erinnerungen an die Reichskristallnacht und über seinen Fluchtweg aus Oeventrop. Er war damals 12 Jahre alt:
Erinnerungen Reichskristallnacht:
Die Ereignisse der Kristallnacht bleiben immer noch in meinem Gedächtnis. Gelegentlich habe ich noch Alpträume darüber. Vor allem ist in meiner Erinnerung geblieben, dass nur wenige Leute an der totalen Zerstörung unserer Möbel, unserer Bilder und Uhren, unserer Wäsche, unseres ganzen Hausrats teilnahmen. Obwohl meine Familie in Oeventrop völlig integriert war, obwohl wir glaubten, dass wir viele Freunde dort hatten, versuchte keiner der über hundert Oeventroper, die dieser Zerstörung zuschauten, uns zu helfen oder dieser Zerstörung Einhalt zu gebieten. Kein einziger! Alles, was die Familie über Jahre gesammelt hatte und schätzte, Erbstücke und Möbel, selbst Lebensmittel und alle anderen Sachen wurden aus den Fenstern auf die Straße geworfen. Die Zimmer waren kahl und wurden ohne Fenster zurückgelassen. Die Frauen und Kinder retteten einige unserer Habseligkeiten vom Bürgersteig und trugen sie zurück ins Haus. Es half uns nur ein einziger Dorfbewohner, das schwere Bettzeug oder andere Sachen zurückzutragen. Ein einziger! Um einige Oeventroper zu verteidigen, muss ich allerdings sagen, dass mehrere Tage hinter unserem Haus Lebensmittel abgelegt wurden.
Erinnerungen Flucht und Odyssee:
Nach diesem Ereignis schickten mich meine Eltern nach Köln in ein Kinderheim. Hier verbrachte ich entfernt von meinen Eltern 2 Jahre. Die Erziehung in Köln war sehr gründlich, das Essen war sehr wenig und ganz oft mussten wir nachts einschlafen, ohne etwas gegessen zu haben. Der tägliche Spaziergang vom Kinderheim zur Schule war ein angstvolles Abenteuer. Fast immer prügelten einige „brave christliche“ Kinder in Hitleruniform die „verfluchten“ Judenkinder. Eine blutige Nase und zerrissene Kleidung waren ein täglicher Vorfall.
Im Juni 1941 verließ ich Deutschland. 15 Kinder versammelten sich in Berlin und reisten mit der Bahn, manchmal auch zu Fuß, durch Belgien, Frankreich bis nach Spanien. Wir gingen in Barcelona an Bord. Das Schiff war überfüllt, und viele der älteren Leute starben. Wir fuhren über Gibraltar, Portugal, die kanarischen Inseln und kamen schließlich nach New York.
In Amerika anzukommen, ohne die Sprache zu sprechen, ohne bekannte Gesichter, ohne zu wissen, was einen erwartet, war für einen 14jährigen Jungen ein traumatisches Erlebnis.
Mein erstes Zuhause in den USA war bei einer Familie in Atlanta. Diese Familie zeigte überhaupt kein Interesse an mir als Person. Ihr einziges Interesse war das Geld für Unterkunft und Verpflegung, das ich bezahlen musste. Um Geld zu verdienen, begann ich nach drei Wochen in einem Schwarzen Viertel zu jobben. Ich musste Hühner schlachten und ausnehmen. Ich war Platzanweiser in einem Kino und machte einfache Reparaturarbeiten für Büromaschinen. Nebenbei besuchte ich eine Schule. Schließlich bekam ich eine Lehrstelle als technischer Zeichner. 1944 meldete ich mich freiwillig für die amerikanische Armee. 2 Jahre verbrachte ich auf den Philippinen und dann noch 2 Jahre in Japan. Nach meiner Entlassung aus der Armee besuchte ich dann eine Universität in Montreal. Dort traf ich Milli, die dann meine Frau wurde.
Mit dieser Begegnung ist mein Leben viel besser geworden. Es war der Anfang meines Glücks.

Zum Abschluss der Kundgebung verlas Bastian Hannappel einen Auszug aus dem Brief von Henry Rosenthal:

Ich bin ein einziges Kind. In meinem 6. Lebensjahr zogen wir nach Oeventrop, um in dem Haus meiner Großmutter zu wohnen. Ich besuchte die Schule in Oeventrop bis zur Kristallnacht 1938. Die Ereignisse der Kristallnacht bleiben immer noch in Erinnerung in meinem Gedächtnis.und gelegentlich habe ich noch Alpträume darüber. Das, was vor allem in meiner Erinnerung bleibt ist die Tatsache, dass nur verhältnismäßig wenige Leute an der totalen Zerstörung unserer Möbel, Bilder, Zeug, Uhren usw. teilnahmen, wenngleich meine Familie sowie andere jüdische Familien in Oeventrop, im sozialisierten Oeventrop, völlig integriert waren, gleich wie sie ihr Leben dort gewohnt hatten, und obgleich sie glaubten „dass sie viele Freunde dort hätten, versuchte kein einziger, der hunderte von Oeventropern, die dieser Zerstörung zuschauten, uns zu helfen oder dieser Verirrung Einhalt zu gebieten. Kein Einziger.

Wer kann mir dies erklären. Welcher Soziologiestudent kann mir erklären, wie ein Volk, dass eines der zivilisiertesten, kultiviertesten, höchst ausgebildeten in der Welt, geschehen lassen kann, und auch untätig zuschaut. Alles was eine Familie über Jahre ansammelt und schätzt, Erbstücke, Möbel dazu Lebensmittel und alle anderen Sachen wurden aus den Fenstern auf die Straße raus geworfen. Die Zimmer wurden kahl und ohne Fenster zurückgelassen. Vor der blinden Zerstörung wurden die jüdischen Männer ins Gefängnis als „Schutzhaft“ genommen. Die Frauen und Kinder retteten einige unserer Habseligkeiten vom Bürgersteig und trugen sie zurück ins Haus. Es half uns nur ein einziger Dorfbewohner, das schwere Bettzeug oder andere Sachen zurückzutragen; ein Einziger! Um einige Oeventroper zu verteidigen muss ich sagen, dass Lebensmittel mehrere Tage hinter dem Haus zurückgelassen wurden. All diesen Leuten mein herzlicher Dank.

Text, Zusammenfassung und Bilder: Franz-Josef Molitor