Zwischen Heimat, Kunst, Kultur, Krieg und Hoffnung”

Die ukrainische Künstlerin Julia Dudka

Teil I: “Treffen auf der Deutschen Straße”

Zur interaktiven Ausstellung, die Julia Dudka in Arnsberg-Oeventrop zeigt und einen passenden Namen für die bisherige “Puschkin-Straße” sucht. Sie fordert alle Charkower, Ukrainer und Oeventroper u.a. auf sich Gedanken zu einem neuen Straßennamen zu machen und ihn im Goldschmiede Geschäft INCUS, wo die Ausstellung derzeit zu sehen ist aufzuschreiben. 

Die Werke der ukrainischen Künstlerin Julia Dudka (aus Charkiw) und ihrer SchülerInnen aus der ganzen Ukraine sind nun in Oeventrop in der Goldschmiede INCUS von Catrin Petrikat zu bewundern.

Julia Dudka wurde am 18.6. 1973 in Charkiw geboren und studierte dort an der Pädagogischen Universität, Fakultät Kunst. Sie bekam das beste Diplom mit Auszeichnung und leitete anschließend Projekte von hohem Interesse. Der Krieg verhinderte die Weiterarbeit und Ausstellungen. Sie bereitete sich bereits einen Monat vor Kriegsbeginn auf eine Flucht vor und packte alle wichtigen Zeichnungen und Bilder ein. So auch Bilder ihrer SchülerInnen, die in dieser Ausstellung zu sehen sind. Sie lebt seit dem 13.3.22 in Oeventrop. Zunächst wohnte sie in der Notunterkunft der Oeventroper Sporthalle, nun hat sie bei Ursula Heinemann eine Wohnung beziehen können. Bereits in der Notunterkunft konnte sie, dank materieller Unterstützung der Flüchtlingshilfe Oeventrop, Kunstkurse für Geflüchtete anbieten und selber wieder künstlerisch tätig werden.

In den letzten Jahren hatte sie in ihrer Heimatstadt Charkiw ein Projekt geleitet und mit KunstschülerInnen Werke erstellt, die eigentlich in diesem Sommer in einer Galerie dieser Stadt ausgestellt werden sollten. Das Projekt, welches sie in den letzten Jahren und Monaten vor ihrer Flucht begleitete, greift die Werke großer Poeten, Literaten und Philosophen auf, die in Verbindung zu Charkiw stehen. Dazu gehören unter anderen Schewtschenko, Goethe, Gogol, Puschkin, Lesja Ukrainka, Kwitka Osnow’janenko. In Charkiw wurde z.B. das Nationaltheater nach Schewtschenko benannt, von Gogol eine Büste angefertigt, die gegenüber dem Theater aufgestellt ist, und nach Puschkin wurde eine wichtige Hauptstraße benannt, die übrigens vorher (bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts) Deutsche Straße hieß. Die Idee des Projektes ist es, die Kultur und die Entwicklung der Stadt Charkiw aufzugreifen, einen Punkt auf dem Stadtplan damit zu markieren und als gemeinsames Werk in eine Ausstellung einfließen zu lassen. Kleine Bilder greifen Situationen des Stadtbildes auf, die teilweise ergänzt oder verändert wurden Sie zeigen auch Gestalten und Wesen, die in Gedichten und Schriftstücken erst geschaffen, “erfunden” wurden, die schon fast mystisch wirken sowie Mapping-Bilder, also solche Bilder, die mit der Stadtkarte visuell verknüpft sind. Zwischen Heimat und Kunst, Ukraine und Westeuropa, Kultur und Krieg bewegt sich nun Julia Dudka mit ihrem Team. Sie nahmen also künstlerischen Anlass, in ihrer Stadt Charkiw den Zusammenhang der europäischen und Weltkultur darzustellen und die wundersamen Worte der zuvor genannten Literaten und Dichter zu visualisieren. Dann kam leider der Krieg und verhinderte eine Ausstellung, deren Teile uns nun hier ausschnittsweise zur Verfügung stehen und die hier das erste Mal zu sehen ist. Ein Symbol der Hoffnung und Zusammengehörigkeit sieht Julia darin, dass wir alle unseren gleichen Ursprung haben: “Wir kommen alle aus der Erde,” sagt sie.

Später soll eine Fortsetzung, ein zweiter Teil der Ausstellung gezeigt werden. Sie wird das Thema Julia Dudkas, die “Saga wilder Kräuter” darstellen, die sogenannten “Dornenbrüder”, die sich suchen und Ausschau halten. Ein Erkennungsmerkmal von Julia Dudkas Werken ist ihre Form: das Erwachsen einer Bildsituation aus einem Punkt bzw. auch aus einem Korn heraus. Ihrer Erkenntnis nach ist der Ursprung aller Kultur, wie eine Pflanze aus der Erde wächst. Auf der einen Seite wachsen die Pflanzen aus der Erde, auf der anderen Seite aber auch die Kultur und die Menschen. Die Form ist oft tropfenartig. In ihr erzählen Menschen, Tiere, Pflanzen eine Geschichte, in ihr wird ihr Wesen, werden ihre Darstellungen gebündelt.

Bekannt wurde das Projekt Julias von 2017 bis 2022 “Intellektualnaja Zemlja”, Intellektuelle Erde. Der Entwurf des Projekts wurde in den Jahren 2011 bis 2013 formuliert. Damals wurde ein komplexes Programm für die Abteilung für bildnerische Kunst der Schule der Künste zusammengestellt. Und ebenso wurde es in der Galerie “Iskusstvo Slobozhanshchina” ausgestellt. Die erste Arbeit zu dem Thema “Skazki Mlechnogo Puti” (Märchen der Milchstraße) war dem Jubiläum Taras Schewtschenkos gewidmet. Sie erschien damals unter dem Pseudonym “Julianna Dumka”.

Text: Valérie von Rüden (zusammen mit Julia Dudka und Helmut Boege)

Fotos: Franz-Josef Molitor

Catrin Petrikat stellt dankenswerter Weise Ihr Ladenlokal für die 14-tägige Ausstellung zur Verfügung – Monika Kraas, Sprecherin der Flüchtlingshilfe, als sie hörte, dass eine ukrainische Künstlerin in der Notunterkunft weilte, ergriff sie sofort die Initiative und aktivierte Valérie von Rüden (Kunstlehrerin am Gymnasium der Stadt Meschede und ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe Oeventrop aktiv) die hier die ersten Begegnungen mit der Künstlerin Julia Dudka schilderte. 
Als Dolmetscherin fungierte Anastasia Trubayeva, die vor Jahren in der ukrainischen Großstadt Charkiw an der Hochschule von Julia Dudka ausgebildet wurde und die sie hier in Oeventroper in der Notunterkunft erstmals wieder sah.

Alle Bilder finden Sie unter:

Vernissage bei Catrin Petrikat mit ukrainischer Künstlerin 16.08.2022_101

25.7.2022