Wiederbewaldung: Alternativen zum Kahlschlag?

Wer auf der Autobahn von Neheim nach Brilon fährt, blickt zwangsläufig auf Hunderte Hektar Kahlschläge nach der Borkenkäferkalamität. Gibt es Alternativen zu diesen Großkahlschlägen? Antworten auf diese Frage gab es auf einer Wanderung der SPD Ruhrtal am letzten Sonntagnachmittag vom Lattenberg zur Balzhütte. Bei schönem Sommerwetter führten Forstamtsrat Carsten Arndt und Heinz Nöllenheidt die Waldwanderer über einen Parkour rund um die alte Balzhütte des Baron von Donner.

Im Lehr- und Versuchsrevier Hirschberg des Regionalforstamtes Arnsberg hat der Borkenkäfer über 800 ha Fichtenwälder vernichtet, im ganzen Forstamt sind es 3500 ha und in NRW 146000 ha! Eindrucksvoll schilderte der Revierförster dieses noch nie dagewesene Horrorszenario, das von Jahr zu Jahr noch schlimmer wurde, bis im Herbst 2021 alle Fichtenbestände über 40 Jahre abgestorben waren. Wie sollte die Unmenge von 230000 fm Fichtenholz eingeschlagen und verwertet werden?

Kahlschläge haben viele ökologische Nachteile für das Lokalklima und die Wieder-aufforstung, deshalb waren sie auch schon im regulären Forstbetrieb seit 1980 nicht mehr üblich. So wurden schon 2019 zu Beginn der Kalamität mehrere Optionen ins Auge gefasst. Angesichts der fallenden Holzpreise wurden die jüngeren und vorgeschädigten Fichten stehen gelassen, weil die Holzerntekosten die Erlöse überstiegen. Große Kahlhiebe wurden weitgehend vermieden, die Erdstöcke von geschädigten Stämmen wurden meist stehen gelassen, kleine bis maximal 0,2 ha große Femelhiebe durchgeführt und immer wieder Kulissen sogenannter „Dürrständer“ belassen.

Im ersten Waldbild der Exkursion ging es durch ein Kulturgatter, in dem 2021 Buchen, Traubeneichen, Winterlinden und Hainbuchen in kleinflächiger, truppweiser Mischung gepflanzt wurden. Birken, Weiden und Douglasien hatten sich natürlich verjüngt, geschützt durch den Zaun waren sie schon meterhoch, während sie außerhalb vom Wild verbissen waren. Die größere Pflanzenvielfalt im Gatter hat auch eine deutliche Auswirkung auf die Mykorrhiza und Bodenfauna, die jungen Bäumchen werden so mit Nährstoffen und Wasser versorgt.

Weiter ging es in einen „fliegenden Saatkamp“, in dem Buchennaturverjüngung, gesäte Eichen, Weißtannen, Bergahorne und Elsbeeren auf Frässtreifen wachsen, insgesamt rund 250.000 Stück. Mit 15 Cent Gestehungskosten sind die „Wildlinge“ deutlich günstiger als die Pflanzen aus der Baumschule, die im Durchschnitt 1 Euro kosten und wegen großer Nachfrage häufig ausverkauft sind. Pflanzen aus dem Wanderkamp sind ganzjährig verfügbar und besser an die lokalen Bodenverhältnisse angepasst als die gedüngten Baumschulpflanzen.

Im nächsten Waldbild waren auf den ersten Blick nur ein wildes Mikado von dürren Borkenkäferfichten zu sehen, erst bei näherem Hinsehen waren die in Stockachseln gepflanzten Buchen, Eichen, Weißtannen, Winterlinden und Douglasien zu entdecken, die natürlich angesamten Birken, Ebereschen und Weiden waren schon meterhoch, wenn sie im Verhau nicht vom Sikawild verbissen werden konnten. Der Schatten der dürren Fichten verhinderte das Austrocknen der oberen Bodenschichten, der Mulm vermoderter Stöcke war feucht wie ein Schwamm.

Im letzten Exkursionsbild führte ein Pfad durch ein wildes Verhau, das aber künstlich durch einen Harvester angelegt worden war. Zuvor waren auf einer Fläche von 6000 m² Traubeneichen, Buchen, Weißtannen und Bergahorne in Stockachseln gepflanzt worden. Die Holzerntemaschine hatte auf Anweisung die Dürrständer so abzulegen, dass sie ein möglichst wilddichtes Verhau bildeten.

Abt. 532A: Weißtannenwildlinge im Verhau

Die Kosten für den Maschineneinsatz betrugen etwa 800 Euro je Hektar, ein Kulturzaun hätte 5000 Euro gekostet. Die Aufarbeitung im Jahr 2020 hätte bei den damaligen Preisen einen Verlust von zwei Euro je Festmeter verursacht.

Aber entscheidend für die Maßnahme waren vor allem ökologische Gründe: Ein Verhau hat noch einen Schattenwurf von ca. 40 bis 60% eines intakten Fichtenbestandes, hält so die Feuchtigkeit im Boden und speichert noch über Jahrzehnte organischen Kohlenstoff im toten Holz, während die neue Baumgeneration heranwächst. Die Wiederaufforstung auf der Kahlfläche bleibt für 30 bis 40 Jahre eine Quelle für die Treibhausgase Kohlendioxyd und Lachgas, weil mehr Kohlenstoff und Stickstoff mineralisiert als gespeichert wird. Dürreperioden verstärken diesen Effekt, weil die Temperaturen auf der Freifläche 6° bis 8° Celsius höherliegen als im Verhau. Freiflächen halten Starkregen nur zu maximal 10% zurück, während ein Verhau je nach Hangneigung 30% bis 60% der Wassermenge im Wald hält.

Am Ende des mehr als zweistündigen Rundganges wurden noch manche Aspekte des Waldbaus mit Fichtendürrständern diskutiert, bei einem kühlen Trunk an der Balzhütte. Carsten Arndt stellte noch erste Ergebnisse von neuen Wetterstationen vor, die neben den üblichen Daten auch Temperatur und Feuchtigkeit in verschiedenen Bodentiefen erfassen und kontinuierlich abgerufen werden können. Heinz Nöllenheidt erläuterte noch die Kohlenstoffbilanzen der vorgestellten Varianten und die Bedeutung der Mykorrhiza-Pilze, ohne die Bäume nicht leben können: nur mit ihrer Hilfe können sie Nährstoffe und Wasser aus dem Boden aufnehmen, dafür geben sie den Pilzen bis zu 30% der Assimilate z.B. als Glukose ab, eine obligate Symbiose.

Am Ende hatten die Waldwanderer noch einen Fußmarsch von einer Stunde zurück zum Lattenberg vor sich, um die Eindrücke von „unordentlichen“ Waldbildern und wilden Verhauen zu verdauen, und noch eine kurze Strecke die Kühle eines alten Buchenwaldes zu genießen.