“Jetzt isses so geschnitten, jetzt wird´s auch so genäht!”

Die Dinscheder hatten 1962 keinen Königsanwärter

Es war ein turbulenter Schützenfestmontag für den Dinscheder Kompanieführer Alfred Hachmann, der zwar seit 3 Jahren im Amt schon so einige Höhepunkte in seiner jungen Laufbahn erlebt hatte, die Ereignisse des heutigen Tages übertrafen jedoch all seine Vorstellungen.

Als Alfred sich von seiner lieben Frau Mia und den beiden kleinen Kindern Klaus und Petra am Morgen verabschiedete, ging er im Bewusstsein aus dem Haus, dass sich unter der Vogelstange wohl genügend Dinscheder Königsaspiranten einfinden würden.

Das Vogelschießen fand an diesem Morgen, dem 2. Juli 1962 bei Nieselregen statt und offensichtlich war kein Dinscheder Schützenbruder bereit, sich um die Königswürde zu bewerben. Nach den Ehrenschüssen fanden die beiden ersten Runden ohne Beteiligung der Dinscheder statt. Ratlos standen die Schützen aus dem kleinsten Ortsteil im Kreis um den jungen Kompanieführer Alfred Hachmann und redeten mit Engelszungen auf ihn ein, doch unter die Stange zu gehen. Hauptredner in diesem Szenario war der Ex-König von 1956 Theo Gierse, der den umstehenden klar und unmissverständlich zum Ausdruck brachte, dass er die Uniformjacke auf der Stelle ausziehen würde und in den Dreck trete, wenn sich jetzt nicht einer aus dem Kreis zum Schießen bereit erkläre. Dazu muss man wissen, dass Giersen Theo der erste Dinscheder Schützenbruder mit der ersten neuen eigenen Uniform war, die im nächsten Jahr für alle angeschaffgt werden sollte. Den Vogel hatte er 1956 noch im “Heujöbken” mit dem spitzen Tirolerhut abgeschossen; zum Bundesschützenfest im Herbst 1956 in Schmallenberg durfte Theo dann als erster die neue Dinscheder Uniform tragen, die dann ein Jahr später auch den anderen Dinscheder Schützenbrüdern zur Verfügung stand; und ausgerechnet dieser 100%-ige Dinscheder, Texter und Komponist vieler Dinscheder Lieder wollte die Uniform in den Dreck treten, weil er die Schimpf und Schande über sein geliebtes Bergdorf nicht hätte ertragen können.

Alfred fühlte sich in die Pflicht genommen, dachte kurz an Frau Mia und die Kinder und auf das, was wohl folgen könnte wenn er nach Hause käme und ging entschlossen unter die Stange. “Wenn ich da drunter gehe, dann halte ich auch voll drauf!”, so war sein Entschluss, der dann letztendlich auch belohnt wurde und die Dinscheder nach sechs königlosen Jahren in einem wahren Freudentaumel versinken ließ.

Kaum war die Freude verraucht, da stand dann eine neues Problem vor Alfred, er hatte keine Königin. Die, die er für den Fall der Fälle schon mal so heimlich als seine Königin in Betracht gezogen hatte, (Erika Röttger), weilte in diesem Jahr leider im Urlaub und war somit nicht greifbar. Alfred fühlte sich überhaupt nicht wohl in seiner Haut, zu gegenwärtig waren ihm gewisse Dramen aus den Vorjahren, in denen auserwählte Königinnen dem König einen Korb gaben; eine solche Pleite wollte er nicht erleben und es kam ihm der Gedanke, seinen Mitkonkurrenten und Kompanieführerkollegen Karl Rosenkranz von der Oeventroper Kompanie zu befragen, wen er denn genommen hätte. Da Rosenkranz “Kalla” ja auf das Vogelschießen vorbereit war, hatte er im Vorfeld die junge und hübsche Margret Blome aus dem bekannten Oeventroper Geschäftshaus um ihr Einverständnis gebeten. “Meinst Du denn, dass ich die auch fragen könnte?”, fragte Alfred hoffnungsvoll. “Selbstverständlich, frag sie doch einfach!” Alfred traute sich und hatte eine wunderbare Königin, mit der er sogar zwei Monate später auch noch als Kreiskönigspaar ein weiteres wunderbares Fest feiern konnte. Pfarrer und Präses Albert Vonnahme kommentierte die Wahl damals so: “Herr Hachmann, das haben sie wunderbar gemacht! Jetzt hat Dinschede den König, Oeventrop die Königin und Glösingen den Geck und alle sind zufrieden!”

Zu Hause angekommen erwartet ihn seine liebe Ehefrau, die natürlich nicht gerade überglücklich war, für seine ernste Situation vor dem Vogelschießen aber jedoch Verständnis hatte und so mit ihrem Mann ein schönes, aber mit 2 kleinen Kindern auch anstrengendes Schützenjahr feierte. Mit den entschlossenen Worten: “Jetzt isses so geschnitten, jetzt wird´s auch so genäht!”, nahm Mia den Druck vom Kessel. So haben wir Älteren Mia Hachmann heute noch in bester Erinnerung.

Im Festzug am Nachmittag präsentierte sich das neue Königspaar der Oeventroper Bevölkerung; Königin Margret im wunderbaren Kleid, Alfred im “Schwarzen Anzug” mit Zylinder. Im zweiten Jahr seiner Königswürde marschierte Alfred als erster Oeventroper Schützenkönig in Schützenuniform. Spätere Könige haben dann doch wieder den schwarzen Anzug getragen. Letzter “Zylinderkönig” war Klaus Hachmann (Kirchstraße) im Jahre 1967-68; danach wurden nur noch Uniformen getragen.    

Text: Franz-Josef Molitor

Fotos: Archiv Bruderschaft

Das strahlende Königspaar Margret Blome (Wiesenhütter) und Alfred Hachmann
Beim Kreisschützenfest in Freienohl im September 1962